Die beobachteten Klimaänderungen äußern sich im Einzelnen sehr vielfältig, weil sich nicht nur Langfristtrends, Fluktuationen und relativ kurzfristige Anomalien sowie Extremereignisse überlagern, sondern auch ausgeprägte regional-jahreszeitliche Besonderheiten auftreten. Diese Besonderheiten sind auf die geographische Lage, orographische Effekte und die jeweils für die Region relevanten Änderungen von Zugbahnen und Wetterlagen zurückzuführen. So zeigt z.B. die Klimadiagnose für Sachsen (1951-2000, Franke et al. 2004) gegenläufige Trends innerhalb des Bundeslandes, aber auch unterschiedlich starke und gegenläufige Trends zwischen den Jahreszeiten. Ähnliche Klimatrends können durch ganz unterschiedliche Witterungsverläufe verursacht sein. Für die Beurteilung der Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Landnutzung müssen Klimaprognosen hinreichend zeitlich (Extremereignisse) und räumlich (lokal) differenziert werden. Größte Unsicherheit liegt hier bei der Vorhersage des Niederschlages, der für die pflanzliche Produktion besonders wichtig ist. Die Spannbreite der Unsicherheiten muss bei der Analyse von Auswirkungen auf die Landnutzung berücksichtigt werden.
Hinsichtlich der Auswirkungen von Klimaänderungen auf die landwirtschaftliche Produktion sind in Abhängigkeit von regionalen Klimatrends, Naturraum und den sozioökonomischen Rahmenbedingungen positive wie negative Auswirkungen möglich. Beim Grünland ist z.B. mit höheren Produktionsschwankungen zu rechnen, wobei für (sub-) montane Lagen Ertragssteigerungen möglich sind (Fuhrer et al. 1997). Größte Einbußen werden beim intensiv genutzten Ackerland erwartet, die jedoch durch Sortenumstellung und technischen Fortschritt überkompensiert werden könnten (Flückiger & Rieder 1997). Eine umfassende Bewertung des Sachstandes über die Wirkung von Klimaänderungen auf die deutsche Land- und Forstwirtschaft erfolgte in den 90er Jahren (Enquete-Kommission 1994; Weigel & Kriebitzsch 1995) und wurde kürzlich aktualisiert (Schaller & Weigel 2008). Derzeitigen Nutzungskonzepten in der Landwirtschaft fehlt der Aspekt des Klimawandels, da die lokalen Auswirkungen nicht quantifiziert sind.
Defizite unseres heutigen Wissens bestehen auch darin, dass die vorhandenen Simulationen agrarischer Systeme von zukünftigen Klimaszenarien und heutigen Landnutzungsformen ausgehen. Erforderlich ist jedoch eine realistische Einschätzung, wie durch Änderungen der Anbauverfahren, Sortenwahl und innovative Produktionstechnologien negative Auswirkungen verhindert werden können. Bisher werden nicht alle physiologischen und ökologischen Prozesse in den Modellen berücksichtigt. Erhöhte atmosphärische CO2-Konzentrationen wirken z.B. direkt auf die Vegetation, indem sie die pflanzliche Stoffproduktion fördern und über Rückkoppelungseffekte den Wasserhaushalt und die Oberflächentemperaturen von Pflanzen beeinflussen. Richtung und Ausmaß der meisten modellgestützten Vorhersagen zu den Wirkungen veränderter Temperaturen und Niederschläge auf die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion und auf die Stoff- und Wasserflüsse in Agrarökosystemen werden erheblich davon bestimmt, ob und in welcher Größenordnung der physiologische CO2-Effekt berücksichtigt wird. Für eine realistische Einschätzung von Produktionseinbußen und die Ableitung von Anpassungsmaßnahmen (Bewässerung, Sortenentwicklung) sind daher besser abgesicherte Kenntnisse auf Bestandesebene und auch für die hiesigen Anbaubedingungen erforderlich (Weigel & Dämmgen 2000, Manderscheid & Weigel 2005).
Wirkungen von Klimaänderungen auf die Pflanzenproduktion und Landnutzung können nicht isoliert vom Landschaftssystem betrachtet werden, wenn die ökologische Nachhaltigkeit von Maßnahmen, d.h. der Erhalt von Ökosystemleistungen gewährleistet werden soll. Änderungen von Verdunstung, Landoberflächentemperaturen und Landnutzung wirken im Landschaftsmaßstab auf die klimatischen Bedingungen zurück. Die Aufnahme und Abgabe von klimawirksamen Spurengasen aus Pflanzenbeständen und Böden z.B., die durch die Bewirtschaftung auf Schlagebene mitgesteuert werden, beeinflussen im globalen Maßstab den Treibhauseffekt. Hier ist die Landwirtschaft unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes mit einzubeziehen. Neben den landwirtschaftlichen Flächen im eigentlichen Sinne spielt die naturnahe Vegetation (Wald, Grasland) sowohl für die Mitigation (z.B. Kohlenstoffsenke) als auch für die Indikation (Phänologie, Zeigerpflanzen) von Klimaänderungen eine wichtige Rolle. Um diese Funktionen als Grundlage für Anpassungsmaßnahmen nutzen zu können, sind auch hier zunächst bessere Abschätzungen notwendig, inwiefern z.B. positive Effekte einer verlängerten Wachstumsperiode durch Häufungen extremer Ereignisse gefährdet sind. Ob bzw. wie sich prognostizierte „Verschiebungen“ von Vegetationszonen in der Kulturlandschaft ausprägen, ist unklar. Die bessere Verfügbarkeit räumlich und zeitlich aufgelöster Klimainformationen kann dazu beitragen, klimabedingte Änderungen der potenziellen Pflanzenproduktion aufzuzeigen.
Aus sozioökonomischen Gesichtpunkten haben landwirtschaftliche Betriebe, deren vor- und nachgelagerte Wirtschafts- und Dienstleistungsbereiche sowie politische Entscheidungsträger, mit jeweils unterschiedlichem Fokus, Interesse an Abschätzungen möglicher Folgen eines erwarteten Klimawandels. Beispielsweise sind für landwirtschaftliche Unternehmen die zukünftigen Klimabedingungen an ihrem Betriebssitz und ihre individuellen Möglichkeiten, sich diesen anzupassen, von großer Bedeutung für ihre Investitionen. Pflanzenzüchtungsunternehmen berücksichtigen zukünftige Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft bei der Formulierung ihrer langfristig angelegten Züchtungsziele, so dass sie der Landwirtschaft bei sich wandelnden Anforderungen an Kulturpflanzen/Sorten entsprechende Produkte rechtzeitig anbieten können. Versicherungsunternehmen benötigen zur Entwicklung neuer angepasster Versicherungsprodukte Informationen über die Höhe der lokalen klimabedingten Schadenspotenziale für größere Gebiete. Für politische Entscheidungsträger sind Informationen zu den regionalen und lokalen Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft wichtig, um den Anpassungsprozess gegebenenfalls durch zielgerichtete Maßnahmen unterstützen zu können und damit zur nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume beizutragen.
Die Entwicklung und Bewertung von Anpassungsstrategien erfordert daher die gemeinsame Betrachtung ökologischer und sozioökonomischer Zusammenhänge. Die Ergebnisse einer integrierten Analyse und Bewertung sind von Bedeutung für Entscheidungen unterschiedlicher Akteure auf globaler, regionaler und lokaler Ebene.
Literatur
Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages (Hrsg) (1994): Schutz der grünen Erde: Klimaschutz durch umweltgerechte Landwirtschaft und Erhalt der Wälder. Economica, Bonn.
Flückiger S, Rieder P. (1997): Klimaänderung und Landwirtschaft. Schlussbericht NFP 31, vdf Hochschulverlag AG, ETH Zürich, 222 S.
Franke J, Goldberg V, Eichelmann U, Freydank E, Bernhofer Ch (2004): Statistical analysis of regional climate trends in Saxony, Germany. Clim Res 27, 145-150
Fuhrer J (Hrsg) (1997): Klimaänderung und Grünland. Schlussbericht NFP 31, vdf Hochschulverlag AG, ETH Zürich, 307 S.
Schaller M, Weigel H-J (2008): Analyse des Sachstandes zu Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die deutsche Landwirtschaft und Maßnahmen zur Anpassung.. Landbauforschung Völkenrode, Sonderheft 316.
Weigel HJ, Kriebitzsch WU (1995): Wirkungen von Klimaänderungen auf Agrar- und Forstökosysteme. In: Klimawirkungsforschung im Geschäftsbereich des BML. Schriftenreihe des BML, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 442, 43-59
Weigel HJ, Dämmgen U (2000): The Braunschweig Carbon Project: Atmospheric Flux Monitoring and Free Air Carbon Dioxide Enrichment (FACE). Journal of Applied Botany 74, 55-60